Caritas-Haus Neuwerk
Erstes Altenpflegezentrum im Passivhausstandard in Europa
Seit dem 27. Juli 2003 ist das Caritas-Haus Neuwerk, das erste Altenpflegezentrum, das in Europa im Passivhausstandard gebaut worden ist, nun schon bewohnt. Auf Wunsch des Bauherrn, des Caritas-Verbandes Mönchengladbach-Rheydt e.V., haben wir seinerzeit bei der Grundstückssuche mitgewirkt.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Grundstücks befinden sich die Kirche, die Pfarr-Bibliothek und ein Kloster. Dem Altenpflegezentrum gegenüber liegt auf der anderen Straßenseite der Friedhof. Der Träger entschied sich schließlich für dieses Grundstück in Mönchengladbachs Stadtteil Neuwerk. Das Gebäude liegt fast versteckt hinter altem Baumbestand in einer parkähnlichen Umgebung.
Das Zusammenspiel der für die Außenfassaden gewählten Materialien aus rotem Klinker, lasierten Holztafeln und farbigen Fensterflügeln in Verbindung mit den Sonnenschutzrollos sorgt für einen lebendigen Baukörper. Es sollte ein Haus entstehen, das zukunftsweisend ist und sich damit vom Althergebrachten in Sachen „Altenpflegeheim“ absetzt. Gegenüber bisherigen Altenheimen sollte sich eine deutliche Qualitätssteigerung ergeben.
Von Seiten des Bauherrn war hierbei mehr an ein innovatives Pflegekonzept als an ein aussergewöhnlich technisches bzw. bauliches Konzept gedacht. Das neue Haus sollte nämlich insbesondere an Demenz Erkrankten ein auf ihre Krankheit ausgerichtetes, würdiges Wohnen ermöglichen. Das neue Haus sollte den künftigen BewohnerInnen ein neues Zuhause bieten, bei dem alle positiven Erfahrungen aus den besichtigten Einrichtungen einfliessen sollten. Aber auch aus Fehlern wollten wir lernen.
Das angestrebte Ziel war sinngemäß ein Haus, dass durch Schlüsselbegriffe wie Geborgenheit, Wertschätzung, Selbstbestimmung, Freiheit, Nähe und häusliche Atmosphäre gekennzeichnet sein sollte.
Das neue Caritas-Altenpflegezentrum in Mönchengladbach-Neuwerk verbindet ein modernes Wohngruppenkonzept mit fortschrittlicher Umwelttechnik und ist mit seinen insgesamt 80 Plätzen in 8 Wohn-gruppen mit je 10 BewohnerInnen unterteilt. Die 10-köpfigen BewohnerInnengruppen bilden stabile Bezugsgruppen, so dass die BewohnerInnen ähnlich wie in einer Familie zusammenleben. Der Tagesablauf wird geprägt durch die Aktivitäten, die im geschützten Rahmen der Gruppe stattfinden. Jeweils zwei bzw. drei dieser Pflegegruppen sind unmittelbar einem Pflegebereich angeschlossen, der Pflegearbeitsraum, Dienstraum, Pflegbad und weitere unterstützende Räume enthält.
Aufgrund des hohen Standards der sanitären Einrichtungen – es gibt ausschließlich Einzelzimmer mit jeweils eigenem Duschbad – wird das Stationsbad mit Hubbadewanne im üblichen Tagesablauf nur gering frequentiert. Für die ansteigende Zahl an gerontopsychiatrisch veränderten Menschen stellt das Stationsbad - als wohltuendes Pflege- und Erlebnisbad - allerdings einen nicht zu vernachlässigenden Zugewinn an Lebensqualität dar.
Die administrativen Bereiche des Hauses sind im Erdgeschoss untergebracht. Der Andachts- und Meditationsraum – ebenfalls im Erdgeschoss angeordnet – bietet sowohl den Raum zum gemeinsamen Gebet als auch zum kommunikativen Miteinander. Der Speisesaal - in unmittelbarer Nachbarschaft zum Haupteingang und zum Andachts- und Meditationsraum - öffnet sich zum Gebäudezugang.
Alle Einzelzimmer sind so ausgeführt, dass sich jeweils zwei Zimmer auch für eine Doppelbelegung (z.B. Ehepaar) zusammenlegen lassen. Sowohl das Zusammenlegen zweier Einzelzimmer zu einem Doppelzimmer als auch die Trennung eines Doppelzimmers in zwei separate Einzelzimmer kann problemlos ohne Umbaumassnahme geschehen. Dadurch ist gewährleistet, dass der eventuell durch den Tod des Partners allein verbleibende Bewohner nicht in eine andere Wohngruppe umziehen muss. Er kann in seinem gewohnten Bereich verbleiben.
Warum Realisierung als Passivhaus?
Für den Bauherrn und insbesondere auch für die BewohnerInnen, die letztendlich auch die Betriebskosten zu tragen haben, sind die sehr geringen Heizkosten aber nicht das allein entscheidende Argument für die Ausführung einer solchen Einrichtung im Passivhausstandard. Vielmehr noch spricht die besonders hohe Wohnqualität für eine solche Entscheidung. Gerade für ältere Menschen, die auch von drinnen aus noch am Leben draussen teilhaben möchten und sich deshalb besonders gerne in der Nähe des Fensters aufhalten, ist es schon ein Gewinn, wenn dort keine Zugerscheinungen (Thermik) mehr auftreten.
Dauerhaft hohe Luftqualität mit einer äußerst niedrigen CO2-Konzentration kommt der Gesundheit der BewohnerInnen natürlich auch zu Gute. Als ein in Altenheimen regelmäßig auftretendes und bisher nicht gelöstes Problem wurde uns immer wieder – auch schon früh vor unserer allerersten Entwurfsskizze – der für solche Einrichtungen typische Uringeruch genannt. Die „Komfortlüftung“ (kontrollierte Dauerlüftung) konnte dieses Problem endlich ausräumen.
Erfahrungen seit dem Einzug
Fensterlüftung – Theorie und Praxis
In den ersten Wochen haben die BewohnerInnen ihre Zimmer noch überwiegend über die Fenster belüftet. Auch in den Fluren, wo die Bewohner sich gerne treffen, waren trotz ständiger Hinweise des Pflegepersonals anfangs die Fenster sehr häufig geöffnet. Inzwischen hat dies stark nachgelassen; die Bewohner der „Regelgruppen“ (die nicht an Demenz erkrankten BewohnerInnen) hatten sich nach gut drei Monaten an die neue Situation gewöhnt und gehen jetzt i.d.R. richtig mit der Lüftungsanlage, die für jedes Zimmer eine individuelle Regelung ermöglicht, um.
Lediglich die Wohngruppe der an Demenz erkrankten BewohnerInnen konnte sich bis heute nicht daran gewöhnen, dass sie zum Lüften keine Fenster mehr öffnen muss. Auf Grund der besonders guten (sehr niedrigen) Energiekennzahl des Gebäudes, die von uns mit 5,1 berechnet worden war, sah der Träger bisher keinerlei Handlungsbedarf. Schliesslich sollen die BewohnerInnen sich in erster Linie wohl und nicht gegängelt fühlen.
Der dann tatsächlich gemessene Energieverbrauch lag in den ersten beiden Heizperioden im Durchschnitt 15,2% höher als ursprünglich errechnet, was ausschliesslich im falschen Lüftungsverhalten der an Demenz erkrankten Wohngruppe begründet lag. Dadurch ergab sich aus dem errechneten 0,51-Liter-Haus ein gemessenes 0,59-Liter-Haus, was den Träger verständlicherweise bis heute zu keinerlei Konsequenz veranlasst hat.
Wohlbefinden der BewohnerInnen und des Personals
Zu Beginn der „Heizperiode“ (nach Umstellung der Lüftungsanlage auf „Winterbetrieb“) klagten die Bewohner und das Personal hin und wieder über zu trockene Luft. In jedem Haus ist erfahrungsgemäß in der Heizperiode die Luft trockener.
Da sowohl in den Individual- wie auch in den Gemeinschaftsbereichen kaum Pflanzen aufgestellt waren, haben wir empfohlen, dies nachzuholen und außerdem die Luftzufuhr während der Heizperiode etwas zu reduzieren.
Diese Maßnahmen haben dann unmittelbar zu einer erheblichen Verbesserung der Situation geführt, so dass die „Probleme“ komplett ausgeräumt werden konnten. Heute sind die Bewohner und auch das Pflegepersonal von der Luftqualität geradezu begeistert!
Wie wird die Luftqualität empfunden? Gibt es noch den in Altenheimen typischen Uringeruch?
Die Luftqualität wird inzwischen überwiegend von allen BewohnerInnen und auch von dem Pflegepersonal als sehr gut empfunden. Kochgeruch – selbst nach der Zubereitung von Fischgerichten - verschwindet erstaunlich schnell.
Der in Altenheimen typische Uringeruch ist tatsächlich ausgeblieben.
Dem Pflegepersonal ist sehr positiv aufgefallen, dass auch der durch nachträgliche durchgeführte Malerarbeiten eingetragene Farbgeruch nur so lange wahrnehmbar war, wie auch die Malerarbeiten selbst angedauert haben; es gab keinerlei Nachwirkungen.
Wie ist das Temperaturempfinden?
Am Anfang gab es hin und wieder Klagen wegen zu hoher Temperaturen im Haus. Nachdem sich inzwischen insbesondere auch die BewohnerInnen mit der neuen Technik vertraut gemacht haben, wird nicht nur die Luftqualität sondern auch die Raumtemperatur als sehr angenehm empfunden.
Alles Veränderungsbedürftige ist inzwischen verändert worden.
Nach Auskunft des Personals äußern sich die BewohnerInnen sehr häufig dazu, dass sie sich im neuen Haus sehr viel wohler fühlen als im alten „Haus Monika“, aus dem sechzig BewohnerInnen hierhin gezogen sind. Ein Pfleger äußerte sich wörtlich: „Ich hoffe, dass ich in 35 Jahren hier meinen Lebensabend verbringen darf.“
Wirtschaftlichkeit
Im November 2001 – während der Planungsphase – hatten wir errechnet, dass die Ausführung im Passivhausstandard gegenüber einer Ausführung im Niedrigenergiehausstandard vom allerersten Tag an etwa 11.000 € jährlich einspart. Hierin eingerechnet sind auch die Kapitalkosten für die Mehrinvestitionen gegenüber einer Standardausführung. Nach der ersten Heizperiode lagen die tatsächlich im ersten Jahr eingesparten Kosten gegenüber Niedrigenergiehausstandard sogar bei ca. 12.500 €. Grund hierfür waren die zwischenzeitlich gestiegenen Energiekosten.
Schlussfolgerung
Gerade Altenpflegeheime eignen sich wegen ihrer Kompaktheit und hohen Belegungsdichte besonders gut zur Realisierung als Passivhaus.
Nicht nur die Wirtschaftlichkeit sondern insbesondere auch der hohe Wohnkomfort und die besonders gute Luftqualität sollten den Passivhausstandard für Altenheime zur Regel machen.
Für denselben Träger planen wir gerade ein weiteres Altenpflegezentrum, diesmal in Modulbauweise, aber wieder in Passivhausstandard. Hierbei wollen wir weitestgehend – zumindest in den Fluren und Treppenhäusern – auf die kostenintensive Dreifach-Verglasung für Passivhäuser verzichten und den Dämmstandard in bestimmten Bereichen auch reduzieren. Schließlich bietet ein Heizwärmebedarf von 5,9 kWh/qm.a – auch bei falschem Lüftungsverhalten der an Demenz erkrankten BewohnerInnen – noch ausreichend Reserven bis 15 kWh/qm.a, die bei Passivhäusern nicht überschritten werden dürfen.